Freitag, 4. Januar 2008

»Nie wieder« oder »business as usual« ?

Differenziert man in Deutschland zwischen einem nichtakzeptabelem deutschen und einem akzeptabelem arabischen Antisemitismus?
Nach dem Motto: Wenn jüdische Schüler in deutschen Schulen beleidigt werden, geht das nicht, aber wenn ein iranischer Präsident oder die Hamas Israel drohen und beschimpfen, dann geht das in Ordnung? Zumindest anscheinend soweit, was die wirtschaftlichen Beziehungen z.B. zum Iran betrifft.

Differenziert man in Deutschland zwischen einem nichtakzeptabelem deutschen und einem akzeptabelem arabischen Antisemitismus?
Nach dem Motto: Wenn jüdische Schüler in deutschen Schulen beleidigt werden, geht das nicht, aber wenn ein iranischer Präsident oder die Hamas Israel drohen und beschimpfen, dann geht das in Ordnung? Zumindest anscheinend soweit, was die wirtschaftlichen Beziehungen z.B. zum Iran betrifft. Dies werden durch (fast) nichts getrübt.
Der Antisemitismus ist vielleicht schon größer - auch in Deutschland - als man denkt.

Ein paar Ausschnitte aus einem Buch von
Matthias Küntzel: Islamischer Antisemitismus und deutsche Politik – ›Heimliches Einverständnis‹? Lit-Verlag, Münster 2007
:

Im Deutschen Historischen Museum sammelte sich während einer Exkursion eine Gruppe muslimischer Jugendlicher vor der Nachbildung einer Gaskammer des Kon­zentrationslagers Auschwitz, um zu applaudieren. (...)
Antisemitische Karikaturen, Dissertationen, Program­me und Leitkommentare ergänzen das Bild. Die Machart dieser Agitation geht über das gewöhn­liche antisemitische Vorurteil, das Juden diskriminieren will, hinaus. Wir haben es mit einem extremen Antisemitismus zu tun, der Juden dehumanisiert und dämonisiert, um sie zu töten. (...)

(...) fördert das Innenministerium in Verbindung mit der Bundeszentrale für politische Bildung seit 2007 ein Projekt gegen den Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen, das mit »Mo­bilen Aktions- und Beratungsteams« sowie Leitfäden und Material für den Unterricht Abhilfe schaffen will. (...)
Die Bundesregierung lässt den Export antisemitischer Filme, Predigten oder Schriften aus Saudi-Arabien, Ägypten, der Türkei und dem Iran nach Europa und Berlin stillschweigend zu. Das ist, als würde das Innen­ministerium Anti-Heroin-Kampagnen an öffent­lichen Schulen inszenieren, während gleichzeitig das Außenministerium die Einfuhr von Heroin nach Deutschland legalisiert. (...)
Während »Mobile Beratungs­teams« erfolglos dem Antisemitismus unter ­jugendlichen Muslimen hinterherjagen, setzt die Hizbollah mithilfe von al-Manar die Rekrutierung neuer Antisemiten und Selbstmord-Ter­roristen in den einschlägigen Berliner Wohn­stu­ben ungestört und rund um die Uhr fort. (...)

So hatten beispielsweise die USA im März 2002 Saudi-Arabien und andere arabische Länder in einer per Rundfunk übertrage­nen Erklärung aufgefordert, »die antijüdische Hetze in Zeitungen sowie Rundfunk- und Fernsehsendern zu untersagen«.
(...)
Im Jahr 2004 wurde das Außenministerium der USA gesetzlich zur weltweiten Überprüfung aller antisemitischen Tendenzen und der dagegen unternommenen Regie­rungsmaßnahmen verpflichtet. (...)
Selbst das in seiner Außenpolitik betont araberfreundliche Frankreich wurde tätig. So setzte die Staatsanwaltschaft in Paris ein Verfahren gegen den Herausgeber der ägyptischen Tageszeitung Al-Ahram wegen Anstachelung zum Antisemitismus in Gang. Die französische Regierung hat für ein Verbot der Ausstrahlung des arabischen Senders al-Manar gesorgt und den Sender zumindest vom europäischen Satellitennetz ausgeschlossen. Spanien und die Niederlande schlossen sich diesen Maßnahmen an. (...)

Und jetzt, wo die Vernichtung Israels nicht nur freimütig angekündigt, sondern konkret mithilfe von Urananreicherung und Plutoniumproduktion vorbereitet wird? Diesmal hat kein einziger Botschafter der EU, und sei es nur für einen Tag, Tehe­ran verlassen. Keine einzige iranische Industriemesse wurde mit einer Absage auch nur eines einzigen deutschen Ausstellers konfrontiert. Stattdessen hat die Bundesregierung in den Jah­ren 2006 und 2007 deutsche Neuinvestoren im Iran mit staatlichen Bürgschaften belohnt und so das Mullahregime und indirekt auch al-Manar gestärkt.
(...)
(...) weil es den deutschen Exportinteressen dient. Es nützt ihnen auf der einen Seite, wenn die Übergriffe auf Juden in Berlin unterbunden werden, könnten doch derartige Vorfälle, die an Vergangenes erinnern, die internationalen Geschäftsbeziehungen trüben. Es befördert ebenso das Geschäft, wenn man im Umgang mit den islamischen Handelspartnern gerade umgekehrt verfährt und sich die guten Gewinnchancen von den genozidalen Absichten und den antisemitischen Äußerungen eines Ahmadinejad nicht verderben lässt. Das Beispiel ist der Iran: Auch jetzt »bleibt Iran für deutsche Unternehmen ein wichtiger Markt im Nahen und Mittleren Osten«, wirbt im Juni 2007 die Homepage des Auswärtigen Amts. »2006 exportierte Deutschland Waren im Wert von über 4,11 Milliarden Euro nach Iran (- 7 % gegenüber 2005). Wichtigste Exportgüter waren – wie schon in den Vorjahren – Maschinen, Anlagen und Kfz-Teile und -Komponenten, Eisen- und Metallerzeugnisse und chemische Erzeugnisse.« (...)

Bekanntlich hat Ahmadinejad den Countdown für Israels Vernichtung schon angezählt, gleichwohl geht das Gros der Journalisten, Politiker, Zivilgesellschafter – von der politischen Linken ganz zu schweigen – darüber hinweg. Der Wider­spruch zwischen dem »Nie wieder« und dem »business as usual« scheint ihnen nicht einmal ins Bewusstsein zu gelangen, ist nicht einmal Gegenstand der Diskussion. (...)
(...) im Jahr 2003 hatten 59 Prozent der Europäer in einer Umfrage der Europäischen Kommission erklärt, dass Israel »die größte Bedrohung für den Frieden in der Welt« sei – vor Iran, Syrien, Nordkorea oder den USA. In Deutschland und Österreich war der Anteil derer, die den Staat Israel als die größte Gefährdung für den Frieden betrachteten, mit 65 und 69 Prozent besonders hoch. (...)
Veränderte sich dieses Image, nachdem Israel den Gaza-Streifen im Sommer 2005 hatte räumen lassen? Keineswegs. Im November 2006 ließ die BBC 28 000 Menschen in 27 Ländern fra­gen, welches Land die Weltpolitik am negativsten beeinflusse. Auch auf dieser Liste landete Is­rael mit 56 Prozent der Stimmen vor dem Iran, den USA und Nordkorea auf dem ersten Platz. In Deutschland war der Anteil derer, die Israel ankreuzten, mit 77 Prozent erneut besonders hoch. (...)
Wer Israel zum Bösen stempelt, nimmt den Antisemitismus der Islamisten nicht wirklich wahr. Wer den Antisemitismus der Hiz­bollah und der Hamas aber nicht wahrnimmt, verkennt das Motiv ihrer Angriffe auf Israel und wird dazu neigen, selbst noch Selbst­mordatten­tate zu »Verzweiflungstaten« zu verklären. Wer Israel aber für den Selbstmordterror und die An­griffe mit Kassam-Raketen verantwort­lich macht, wird mit jeder Eskalation dieses Terrors den jüdischen Staat um so mehr verurteilen und somit immer tiefer in das Denkgebäude des Antisemitismus hineingezogen werden, was die Chance, den Antisemitismus als das eskalierende Moment zu identifizieren, wei­ter reduziert und so weiter und so fort. Der entscheidende Grund für diese fortgesetzte Ignoranz ist ein Zerrbild von Israel, das sich in den Massenmedien längst verselbständigt hat. (...)
So hatte Volker Perthes, der Direktor der einflussreichen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die die Bundesregierung und den Bundestag in außenpolitischen Fragen berät, im Juli 2006 in einem Rundfunkinterview kurz nach Beginn des Libanonkriegs zwischen den Kriegsakten der Hizbollah und denen Israels sorgfältig differenziert: Was im südlichen Libanon passiere – die Konterangriffe Israels –, sei »natürlich Krieg«, so Per­thes, während, »was im Norden Israels ge­schieht, … möglicherweise mehr eine Art von Kleinkrieg ist, an den sich Bürger gewöhnt haben«.  Raketen auf Israel werden hier als gewöhnlich bewertet, Raketen aus Israel aber als Krieg. Dass Perthes in diesem Interview den Antisemitismus der Hizbollah ausblendet und diese Organisation stattdessen gleich drei Mal nacheinander als »nationale Befreiungsorganisation« würdigt, ergänzt das parteiische Bild. (...)
Ein Iran mit Atomwaffen, erklärt beispielsweise Udo Steinbach, der Direktor des Hamburger Orient-Instituts, sei »nicht ipso facto eine Bedrohung … sondern das Land bekäme international einen neuen Status. … Europa wäre sicher das letzte Ziel, das dem Iran einfallen würde«, beruhigt uns der Islamwissenschaftler, wäre doch die Bombe eher »für seine Nachbarn« ein Problem, »für eine säkulare Türkei und natürlich für Israel«. (...)
Genauso wenig, wie es für muslimische Jugendliche in Berlin ein vernünftiges Motiv gibt, jüdische Mitschüler anzugreifen, genauso wenig gibt es für den Iran ein vernünftiges Motiv, Israel zu bedrohen. Der eigentliche Antrieb ist in beiden Fällen antisemitischer Natur – ein Anti­semitismus, von dem der Hamburger Orient­wissenschaftler ebenso wie das Auswärtige Amt nichts wissen will, ein Antisemitismus, der Berliner Juden einschüchtert und quält, während er Israel und die Welt gefährdet.

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